Sturz auf schadhaftem Gehweg -

Verkehrsssicherungspflicht: Kommunen können nicht immer haftbar gemacht werden



Verletzt sich ein Fußgänger bei der Benutzung eines schadhaften Gehweges so nimmt man allgemein an, dass er Forderungen gegen den Verantwortlichen geltend machen könnte. Während der private Anlieger strengen Anforderungen unterliegt, stellen die Gerichte jedoch hohe Hürden auf, wenn sich die Klage eines Verletzten gegen eine Gemeinde richtet. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in einem aktuellen Urteil vom 21.04.2009 zum Aktenzeichen 2 U 10/08 [70 KB] zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Sturzes auf einem Gehweg entschieden. Der Kläger kam dabei an einer Stelle zu Fall, wo innerhalb des ansonsten etwas unebenen Gehwegs plötzlich komplette Gehwegplatten fehlten und Kanten mit Niveauunterschieden von 4 bis 5 cm entstanden waren. Der Kläger war der Auffassung, dass die Schadensstelle so tief und mit scharfen Kanten versehen war, dass sie weit über eine allgemeine Gefährdung auf einem unebenen Weg hinausging. Im Herbst und in der Dunkelheit war die Schadensstelle zudem nicht rechtzeitig zu erkennen. Eine Gemeinde haftet hierbei nach dem Urteil allerdings nur unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung nach § 839 BGB und Art. 34 GG als Baulastträgerin der Straße. Sie hat dabei die Pflicht, für einen verkehrssicheren Zustand der Straße zu sorgen. Demnach ist der Verkehrssicherungspflichtige gehalten, solche Gefahren zu beseitigen, auf die sich ein die normale Sorgfalt beachtender Fußgänger selbst nicht hinreichend einstellen und vor denen er sich nicht selbst hinreichend schützen kann, insbesondere wenn die Gefahr nicht rechtzeitig erkennbar ist. Inhalt der Verkehrssicherungspflicht kann also nur sein, was „im Interesse des Verkehrs nach objektivem Maßstab billigerweise verlangt werden kann und zumutbar ist“. Der allgemeine Grundsatz, dass sich der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen muss, wie sie sich ihm erkennbar darbietet, gilt auch für die Nutzer eines Gehweges. Gehwege sind zwar möglichst gefahrlos zu gestalten und in einem gefahrlosen Zustand zu erhalten. In Anbetracht des ausgedehnten Straßen- und Wegenetzes der Städte und Gemeinden und deren beschränkter Mittel sind lückenlose Sicherungsvorkehrungen praktisch gar nicht möglich und daher nur solche Maßnahmen zu treffen, für die ein wirkliches Sicherungsbedürfnis besteht. Dieses richtet sich nach der objektiven Verkehrsbedeutung der betreffenden Wegfläche und den vernünftigen Sicherungserwartungen, die durch das äußere Erscheinungsbild des Gefahrenbereichs bestimmt werden. Die hier entstandene Unebenheit in Form der fehlenden Gehwegplatten, aufgrund derer der Kläger gestürzt ist, begründete keine Pflichtverletzung der beklagten Gemeinde. Dies folgt aus der Verkehrsbedeutung des Fußweges, da es sich um einen eher weniger frequentierten und übersichtlichen Weg in einem Wohngebiet handelt; anders als etwa in Fußgängerzonen ist der Fußgänger nicht durch Geschäfte oder Schaufenster abgelenkt. Zudem befand sich der Gehweg nach Ansicht des Gerichts insgesamt in einem schlechten Zustand. Es war ein älterer, schlecht erhaltener Weg; der Plattenbelag war an etlichen Stellen gerissen und wies Unebenheiten auf. Bei einem Fußweg, der sich erkennbar in einem schlechten Zustand befindet, kann ein Fußgänger aber nicht auf eine gefahrlose Benutzung vertrauen. Hier begründete das Vorhandensein einer Vertiefung von 5 cm somit keine Verkehrssicherungspflichtverletzung. Daran änderte sich auch nichts dadurch, dass sich der Unfall abends ereignete und die Unfallstelle nur schlecht ausgeleuchtet war. Die Verkehrssicherungspflicht begründet keine Beleuchtungspflicht auf öffentlichen Gehwegen, es sei denn die Gehwege haben eine besondere Verkehrsbedeutung. Der vernünftige Fußgänger kann nicht ernsthaft davon ausgehen, dass der nicht beleuchtete Gehweg bei Dunkelheit in jeder Beziehung sicher ist. Bei ungenügender Beleuchtung muss ein Fußgänger vielmehr seine Gehweise so einrichten, dass er den Straßenzustand jederzeit berücksichtigen und sich auf ihn einstellen kann.

Hier das Urteil im Volltext zum Download als PDF-Datei [70 KB]