1. Der Schuldner ist auch dann zur wiederholten Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 903 ZPO verpflichtet, wenn er den von ihm bisher betriebenen Gewerbebetrieb aufgegeben hat.

2. Eine erneute Vorlage einer neuen Unpfändbarkeits­bescheinigung ist bei einem Verfahren zur wiederholten Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 903 ZPO nicht erforderlich.

LG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 28.10.1997, 12 T 105/97

Nach § 903 ZPO ist ein Schuldner, der die eidstV abgegeben hat, in den ersten drei Jahren nach ihrer Abgabe zur nochmaligen eidstV einem Gl. nur verpflichtet, wenn der Gl. glaubhaft gemacht hat, dass der Schuldner nach Abgabe der eidstV Vermögen erworben hat, oder dass ein bisher bestehendes Arbeitsverhältnis mit dem Schuldner aufgelöst ist. Die letzte Alternative des § 903 ZPO ist hier gegeben. Unstreitig hat der Schuldner den von ihm geführten Gewerbebetrieb aufgegeben. Die Aufgabe einer derartigen Erwerbsquelle ist der Aufgabe eines bis dahin bestehenden Arbeitsverhältnisses gleichzusetzen. § 903 ZPO ist insofern entsprechend anwendbar. Entgegen der Auffassung des Schuldners ist die genannte Vorschrift nicht eng auszulegen.
Der Begriff des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 903 ZPO ist nicht arbeitsrechtlich zu verstehen (LG Darmstadt JurBüro 1996,274). Mit dem Begriff des "Arbeitsverhältnisses" ist nicht nur die weisungsgebundene, abhängige Arbeit gemeint. Das "Arbeitsverhältnis" im Sinne des § 903 ZPO ist vielmehr dahin zu definieren, dass darunter jede ständige Beziehung zu verstehen ist, die dem Schuldner aufgrund persönlicher Arbeit Verdienst irgendwelcher Art verschafft ohne Rücksicht auf die sachliche Natur dieser Beziehung und die Bezeichnung (LG Bonn Rpfleger 1963,164). Arbeitsverhältnis ist danach jede nachhaltige Erwerbstätigkeit durch den Einsatz der Arbeitskraft, so dass auch eine selbständige Erwerbstätigkeit als Arbeitsverhältnis im Sinne des § 903 ZPO aufzufassen ist (Zöller/Stöber § 903 Rz. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 903 Rz. 16; LG Darmstadt a.a.O.).
Die vom Schuldner in seiner Erinnerungsschrift bezüglich der Frage einer analogen Anwendung des § 903 ZPO auf Selbständige zitierte Gegenauffassung, die unter Berufung auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Meinung ist, dass § 903 ZPO als Schutz- und Ausnahmevorschrift eng auszulegen und daher einer analogen Anwendung auf Selbständige nicht zugänglich sei, vermochte die Kammer nicht zu überzeugen. Aus der Entstehungsgeschichte des § 903 zweite Alt. ZPO ergibt sich, dass die vom Gesetzgeber beabsichtigte Regelung im Wortlaut der genannten Vorschrift nur unzureichend zum Ausdruck gekommen ist, so dass schon von daher eine ausdehnende bzw. entsprechende Anwendung des § 903 zweite Alt. ZPO geboten erscheint. Die zweite Alt. des § 903 ZPO ist erst durch Artikel 1 Nr. 16 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der ZwV vom 20.8.1953 (BGBl. 1 959) in die ZPO eingefügt: worden. Sie beruht auf einem Vorschlag des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsschutz (BT-Drucks. 1 4452 S. 30). Im Regierungsentwurf zum Zwangsvollstreckungsmaßnahmengesetz war sie noch nicht enthalten (BT-Drucks. 1 2284 S. 10). In dem Bericht des vorbezeichneten Ausschusses Wird zur Begründung der vorgeschlagenen Regelungen ausgeführt, sie solle "Schwierigkeiten begegnen, die bei der Vollstreckung für den Gl. im Falle des Wechsels der Erwerbsquelle durch den Schuldner entstehen" (BT-Drucks.. 14452 S. 4). Hieraus kann gefolgert werden, dass es dem Gesetzgeber fern gelegen hat, die Gläubigerinteressen nur dann zu berücksichtigen, wenn es sich um Schuldner handelt, die in abhängiger Stellung tätig sind. Dafür spricht zunächst die Tatsache, dass in der Begründung des Gesetzesvorschlages insoweit neutral von einem Wechsel der Erwerbsquelle gesprochen wird. Dass damit nur Arbeitsverhältnisse im arbeitsrechtlichen Sinne gemeint waren, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt entscheidend, dass kein vernünftiger Grund ersichtlich ist, einen Schuldner, der sein Arbeitsverhältnis löst, anders, und zwar schlechter zu behandeln als einen selbständigen Gewerbetreibenden, der seinen Betrieb aufgibt. Der GI., dessen Interesse § 903 zweite Alt. ZPO Rechnung tragen will, ist in allen vorbezeichneten Fällen gleichermaßen daran interessiert, die neue Erwerbsquelle des Schuldners zu erfahren, da er. dadurch gegebenenfalls in die Lage versetzt Wird, die Vollstreckung durchzuführen (OLG Hamm JurBüro 1983,1738,1739). Die Kammer schließt sich danach der in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung an, dass § 903 zweite Alt. ZPO zu eng gefasst ist und ausdehnend bzw. entsprechend angewandt werden muss, wenn der Schuldner - wie hier - ein eigenes Gewerbe aufgibt.
Entgegen der Auffassung des Schuldners war dem Antrag des Gl. nach § 903 ZPO ein Unpfändbarkeitsnachwels neuesten Datums nicht beizufügen. Zwar ist das Verfahren zur wiederholten Abgabe einer eidstV gemäß § 903 ZPO nicht eine bloße Fortsetzung des ersten, sondern ein neues, selbständiges Verfahren, in dem der derzeitige Stand des Schuldnervermögens völlig neu zu erfassen ist. Deswegen müssen grundsätzlich auch alle Zulässigkeitsvoraussetzungen wie bei einem Erstverfahren vorliegen. Ob dies auch für die Vorlage einer Fruchtlosigkeitsbescheinigung neueren Datums gilt, ist in der Literatur und Rechtsprechung stark umstritten (vgl. Zöller/Stöber § 903 Rz. 11; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers § 903 Rz. 2). Letztere Frage wird von einer Auffassung unter Hinweis darauf bejaht, dass es sich bei der wiederholten eidstV nach 903 ZPO um ein neues, unabhängiges Verfahren im Sinne des 807 ZPO handele (LG Duisburg MDR 1980,410, LG Tübingen Rpfleger 1984,70). Nach herrschender Auffassung ist die Vorlage einer neuen Unpfändbarkeitsbescheinigung im Verfahren nach § 903 ZPO nicht erforderlich (LG Augsburg JurBüro 1992,431; LG Osnabrück JurBüro 1996,213, Zöller/Stöber a.a.O.; Baumbach/ Lauterbach/Hartmann/Albers a.a.O.). Zur Begründung wird ausgeführt, dass Mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 903 ZPO das Verlangen nach Vorlage einer neuen Unpfändbarkeitsbescheinigung nicht zu vereinbaren sei, weil dabei vom Gl. ein widersprüchlicher Nachweis verlangt werde. Einerseits müsse der nämlich den Erwerb pfändbaren Vermögens nach der Eidesleistung glaubhaft machen, während er andererseits die Unpfändbarkeit des Schuldners für die Zeit nach der ersten Eidesleistung zu belegen habe. Darüber hinaus pflegten die zur erneuten Eidesleistung verpflichteten Schuldner in der Mehrzahl aller Fälle zu erklären, in ihren ersten Vermögensverzeichnissen seien keine erheblichen Änderungen eingetreten. Deshalb erbringe eine neue Unpfändbarkeitsbescheinigung in diesen Fällen dann nichts anderes als die Bestätigung eines mit hoher Wahrscheinlichkeit von vornherein zu erwartenden Teilergebnisses des neuen Verfahrens, nämlich den vorherigen Nachweis, dass die ZwV in andere Vermögenswerte als das Arbeitseinkommen undurchführbar ist. Die Anforderungen einer derartigen, überflüssige Kosten verursachenden Bescheinigung sei daher mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten Erleichterung des Verfahrens für den Gl. nicht vereinbar.
Die Kammer schließt sich im Ergebnis unter Berücksichtigung der vorliegenden Einzelfallumstände der letztgenannten Auffassung an. Im Hinblick darauf, dass bei einem Antrag auf wiederholte Abgabe der eidstV bereits eine eidstV unter den Voraussetzungen der §§ 807, 900 ZPO einmal abgegeben worden ist und in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle sich durch die wiederholte Abgabe keine für den Pfändungserfolg erheblichen Abweichungen ergeben haben, ist grundsätzlich vom Fortbestand der Pfandlosigkeit auszugehen. Eine neue Pfandlosigkeitsbescheinigung, verbunden mit dem Anfall von Kosten zur Beschaffung der Unpfändbarkeitsbescheinigung, ist mithin nur dann erforderlich, wenn besondere Umstände auf den Erwerb neuer und zur vollständigen Befriedigung des Gl. ausreichender Sachen hindeuten. Unter dem Gesichtspunkt der Verpflichtung der GI., die Zwangsvollstreckungskosten so gering wie möglich zu halten einerseits und dem Umstand andererseits, dass ausweislich des vom Schuldner selbst vorgelegten aktuellen Vermögensverzeichnisses sich seine Vermögenslage seit der Abgabe der ersten eidstV nicht wesentlich geändert hat, ist eine neue Unpfändbarkeitsbescheinigung nicht zu fordern.