Welches Gericht ist zuständig?

Zu einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg


Für jede Klage ist zunächst entscheidend, dass man überhaupt das zuständige Gericht findet. Dabei wird zwischen der örtlichen und der „sachlichen“ Zuständigkeit unterschieden. Maßgeblich dafür ist, um welchen Anspruch es geht. In Deutschland gibt es neben der „ordentlichen“ Gerichtsbarkeit (Zivil- und Strafrecht) noch weitere besondere Gerichtsbarkeiten, wie z. B. Verwaltungsgerichte und Arbeitsgerichte. Mitunter ist die Abgrenzung schwierig und die Gerichte müssen zunächst entscheiden, ob sie überhaupt zuständig sind. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat nun mit einem aktuellen Beschluss vom 29.09.2009 (Az. 20 Ta 1724/09 [64 KB] ) entschieden, wer bei einer Bürgschaft oder einem Schuldbeitritt zuständig ist, durch die ein Arbeitnehmer abgesichert wird. Der Kläger war bei einer GmbH beschäftigt. Er schloss mit der GmbH einen Darlehensvertrag ab, wonach der Kläger der GmbH offene Nettolohnforderungen aus dem Arbeitsverhältnis als Darlehen überließ. Es wurde vereinbart, dass zur Sicherung des Darlehens dem Darlehensgeber die selbstschuldnerische Haftungsübernahme der beiden geschäftsführenden Gesellschafter genüge. Nachdem keine Rückzahlung des Darlehens erfolgte, erhob der Kläger gegen die GmbH Klage. In diesem Verfahren wurde ein Vergleich geschlossen. In dem Vergleich trat eine weitere GmbH, vertreten durch deren mit der ursprünglichen Arbeitgeberin identische Geschäftsführer - die späteren Beklagten - dem Rechtsstreit bei und erklärte, für die Darlehenssumme ebenfalls zu haften. Der Kläger erhielt dennoch kein Geld. Nun nahm er beim Arbeitsgericht die Geschäftsführer in Anspruch. Die Beklagten rügten dort die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten, da sich die geltend gemachten Ansprüche aus dem Darlehensvertrag bzw. dem gerichtlichen Vergleich ergeben würden. Darauf, dass die dem Darlehen zugrunde liegenden Ansprüche arbeitsrechtliche Grundlagen hätten, komme es nicht an. Das LAG Berlin-Brandenburg war jedoch anderer Ansicht. Nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Eine Bestimmung im ArbGG erweitert die Zuständigkeit auf Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Maßgebend bei der Beurteilung der Rechtswegzuständigkeit ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Daher besteht die Zuständigkeit auch in den Fällen, in denen der Rechtsstreit durch einen Rechtsnachfolger oder durch eine Person geführt wird, die kraft Gesetzes an Stelle des sachlich Berechtigten oder Verpflichteten hierzu befugt ist. Der Begriff des Rechtsnachfolgers ist nicht streng wörtlich, sondern in einem weiten Sinne zu verstehen. Es ist nicht erforderlich, dass der Rechtsnachfolger an die Stelle des ursprünglichen Schuldners getreten ist. Vielmehr genügt die Erhebung oder Abwehr einer Forderung anstelle des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, unabhängig davon, ob der jeweilige Arbeitgeber oder Arbeitnehmer unter denselben tatsächlichen Voraussetzungen die Leistung fordern könnte oder sie schulden oder für sie haften müsste. Deshalb wird unter den Begriff der Rechtsnachfolge auch die Haftung für arbeitsrechtliche Ansprüche z. B. aus einer Bürgschaft oder einem Schuldbeitritt verstanden. Deshalb kann auch dahinstehen, ob es sich bei den übernommenen Haftungsverpflichtungen für das als Darlehen gestundete Arbeitsentgelt um einen Schuldbeitritt oder eine Bürgschaft handelt. Vielmehr spielt es für die erweiterte Zuständigkeit keine Rolle, ob der Schuldner einer arbeitsrechtlichen Verpflichtung wechselt oder ein Dritter als Schuldner derselben Verpflichtung neben den Arbeitgeber trete. So soll verhindert werden, dass über Inhalt und Umfang arbeitsrechtlicher Pflichten verschiedene Gerichtsbarkeiten entscheiden müssten. Durch eine übereinstimmende Zuständigkeit und eine einheitliche Verfahrensordnung sollen übereinstimmende Ergebnisse gewährleistet werden. Nach diesem Zweck des ArbGG genügt es, dass ein Dritter dem Arbeitnehmer die Erfüllung arbeitsrechtlicher Ansprüche zusätzlich schuldet. Dies ist vorliegend nicht gegeben, die Beklagten schulden die Erfüllung von Ansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis neben dem Arbeitgeber, dass dabei materiellrechtliche Fragen des Bürgschaftsrechts oder des Schuldbeitritts und damit schuldrechtliche Bestimmungen heranzuziehen sind, führt nicht zur Begründung des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten.

Hier der Beschluss im Volltext zum Download als PDF-Datei [64 KB]